Hauskonzert, Gitarrenhelden und Urwurzeln

APRIL 2010

HAUSKONZERT
Auf Ostersamstag habe ich mich schon lange gefreut. Ich darf mich wieder ausbreiten, ganz genau so, wie ich bin. Im letzten Jahr war ich fast noch ueberrascht von dieser Stecknadel–Aufmerksamkeit der Zuhoerer. Heuer waren noch ein paar Menschen mehr im „Weinhandel Blomberg“, hoffnungslos ueberfuellt dieser kleine, bezaubernd heimelige Laden mit dem bezeichnenden Namen: RENDEZ-VOUS DU VIN. Die interessierten Konzertbesucher muessen sich vorher verbindlich zum „Hauskonzert“ anmelden, und bei einer gewissen Anzahl heisst es dann: „Nichts geht mehr“!

Der Laden wird umfunktioniert zu einem Forum mit Weindeko und improvisierten Sitzgelegenheiten, assistiert von dezentem Ausschank zu franzoesischem Baguette. Die perfekte Spielwiese für Geschichten, Emotionen, Dynamik, man performed quasi nackt, rein akustisch und pur. Hier wird nichts versteckt, sondern ausgepackt. Die Zuhoerer zahlen keinen Eintritt! Nach dem Konzert, in der Regel 3 Sets, die immer laenger werden als gedacht, wird das Publikum gebeten fuer den Kuenstler zu spenden, unverbindlich. Zumindest 3 Stunden intensive Live–Musik liegt hinter ihnen, hat durchaus bewegt, textlich, gitarristisch, athmosphaerisch. Ein tolles Modell, zur Nachahmung waermstens empfohlen, phantasievoll praktizierbar in so vielen Etablissements mit Kuenstlern der vermittelnden und persoenlich charismatischen Art. Alles aber nur moeglich mit machenden, wollenden Menschen, beseelt von der Idee etwas besonderes zu bieten. Und bei der Umsetzung keinen Aufwand scheuend, der natuerlich ueber die Abwicklung des Tagesgeschaefts hinausgeht. Andrea und Pierre-Louis Plat sind genau so, herzlich, liebevoll und erfuellt von der Vision, Menschen etwas mehr zu geben als Ware gegen Geld. Sie haben dieses Event „HAUSKONZERT“ in Blomberg etabliert! Es wird so dankbar angenommen… Und das Beste ist: Sie bekochen die Kuenstler ganz fein in ihrer denkmalgeschuetzten Puppenstube ueber dem Weinlokal, je nach Wunsch vor oder nach der Show.

Gitarrenhelden und zurueck zu den Urwurzeln

Die beiden folgenden Wochen standen ganz im Zeichen vom „ROBERT-JOHNSON-GUITAR-AWARD“. Mein alter Freund JUERGEN DRAABE hat zusammen mit dem Hamburger Gitarren–Virtuosen GUIDO BUNGENSTOCK den Verein CROSSROADS gegruendet, mit dem Ziel, junge Gitarrentalente zu foerdern. Da ich Juergen durch die große OTTO – Familie kennen und schaetzen gelernt habe und ich ihm als bekennendem Bluesliebhaber im Laufe der Jahre auch schon mal das ein oder andere Licklein vermitteln konnte, lag es ihm nahe, mich in diesem Event zu involvieren. Und natuerlich auch OTTO daselbst, als Schirmherr des Wettbewerbs.

Mit entsprechender hanseatischer Kaufmannsprofessionalitaet, Leidenschaft, Energie und nicht zuletzt natuerlich auch Kapital wuchs sich diese Idee zu einem vielbeachteten und toll besetztem Ereignis aus, mit Unterstuetzung der Medien und bedeutenden Musikinstrumenten–Labels. Eine vorab bestimmte Jury hatte erst einmal die Aufgabe, die Videos der 16-bis 25jaehrigen Bewerber auszuwerten und einzustufen, damit letztlich 25 Kandidaten die freudige Nachricht erhalten, an einem sehr gehaltvollem Workshop Wochenende in der HAMBURG SCHOOL OF MUSIC im Medienbunker teinehmen zu koennen. Eine schwierige und langwierige Aufgabe, anhand eines einzigen Videos die gitarristischen Faehigkeiten eines jungen Menschen zu bewerten und moeglichst passend einzustufen, damit beim Workshop ungefaehr gleichstarke Fuenfergruppen zsammenkommen. Man spielt ein wenig Schicksal, alleine schon wegen derber Qualitaetsunterschiede der Video–Produktionen und persoenlicher Vorlieben. Im großen und ganzen hat es innerhalb der Jury funktioniert, dennoch hat es natuerlich den einen oder anderen Aussreisser gegeben, feststellbar allerdings erst bei den persoenlichen Begegnungen mit den Workshop–Teilnehmern.

Hier erwartete sie ein 2–taegiger Workshop Marathon mit jeweils vier Sessions in 6er-Gruppen und insgesamt acht verschiedenen Dozenten wie ULI JON ROTH, MATTIAS EKLUNDH, VICTOR SMOLSKI, MARKUS DEML usw. Bei soviel geballter Kompetenz habe ich mich sehr dankbar des Themas Blues angenomen, die Mutter–Inspiration aller Gitarrenhelden. Als ueberlieferte Legende war und ist er zugleich Namensgeber dieses Wettbewerbs und wird oftmals von gegenwaertigen Fachleuten als ihr Idol genannt: ROBERT JOHNSON!

Er wirkte in den 30er Jahren, gehoert auch in den ominoesen Club der 27er, da er so jung verstarb wie spaetere beruehmte Kollegen, u.a. JIMI HENDRIX, JIM MORRISON, JANIS JOPLIN, JEFF BUCKLEY. Er hinterliess der Welt 29 dokumentierte Songs, die beruehmtesten davon sind wohl der CROSS ROAD BLUES und SWEET HOME CHICAGO. Er benutzte zumeist zwei spezielle Open–Tunings auf der gepickten Akustik-Gitarre und setzte dabei oft das Bottleneck ein. Ausserdem war er ein hervorragender, unnachahmlicher Saenger. Durch die Vertiefung in seine Stilistik bekam ich wieder einen Kick in Richtung Akustik–Blues und ich hoffe und denke, den Teilnehmern meiner Masterclass davon auch einiges vermittelt zu haben, vielleicht Inspiration und ein wenig Blues-History.

Eine kleine Probe mit einer anschliessenden „Warm-Up“ Show im feinen, wirklich sehr kleinen Music-Club-live in der Fruchtallee diente unter der Woche als wilkommener Einstieg zum grossen Finale hin, kritisch be-trachtet und -lauscht vom Mastermind und Hauptverantwortlichen des gesamten Projektes, JUERGEN DRAABE. War man sich doch trotz grossartiger Werbung nicht wirklich ueber den Zuschauer-Zuspruch fuer den Sonnabend sicher, sowie natuerlich auch schon mal reinhoeren was so kommt. Daher prallgefuellt, Nasenkontakt zwischen Musiker und Zuhoerer blieb nicht aus, ging es schweisstreibend und nicht zimperlich geraeuschvoll zur Sache. Das Hauptprogramm bestritt GUIDO BUNGENSTOCK mit ueberwiegend eigenem Programm, natuerlich nicht, ohne meinen E-Gitarren-Heroen JEFF BECK zu zitieren. Mit kuerzeren 4-Song-Sets zelebrierte hernach zum Einen der beinahe stets mit einem inneren Laecheln spielende MARCUS DEML einige Titel aus dem Set seiner Band „ERRORHEAD“.

Zum Anderen, als Kontrapunkt sozusagen, trug ich Original-Meinert-Songs vor, mit Gesang und hauptsaechlich zur Akustik-Gitarre. Zudem trat noch NICO SCHLIEMANN als Special Guest in Erscheinung. Begleitet wurden wir alle, wie auch in der FABRIK, von der sogenannten und eigens hierfuer zusammengestellten THE CROSSROADS BAND. Auf wundersame Weise und zu meinem großen Glueck und Vergnuegen war auch meine lieber Freund ZACKY mit von der Partie, empfohlen von MARCUS DEML, da der unvergleichliche Grieche auch bei dessen Projekt „ERRORHEAD“ spielt.

Ausserdem wirkten mit:
MIKEL ALLEN ( USA ) – Bass
seit vielen Jahren in Deutschland lebend und wirkend, sowie:

ART BRAUER ( RUS ) – Keyboards,
in Leningrad geboren und sehr gut deutsch sprechend, erstaunlicherweise mit franzoesischem Akzent!

Allesamt leidenschaftliche Vollblueter, vertrauensvoll, zuverlaessig, mit viel Spass & Asskicking!

Das grosse Finale fand am Samstag, 17.04.10 in der FABRIK in Hamburg unter dem Motto „THE SPIRIT OF GUITAR HEROES“ statt. Diese Nacht lief toll, mit geladenen Gaesten hatten wir ca. 800 wohlwollende und bestens gestimmte Besucher, geil auf Gitarrenmusik in allen moeglichen Spielarten und Facetten. Die Anmoderation uebernahm HELGE ZUMDIEK, Leiter der HAMBURG SCHOOL OF MUSIC, und ich hatte die Ehre, den Abend musikalisch zu eroeffnen. Wenngleich ob des ueberwiegend anwesenden Fachpublikums und der hernach auffuehrenden Gitarren-Virtuosen nicht ganz unbeeindruckt, hatte ich beschlossen, ein eigens wegen dieses Events entstandenes Lied zu spielen. Der Text erzaehlt von ROBERT JOHNSON, die Stilistik an sein Spiel angelehnt, nur Gesang und Akustik-Gitarre im Open-E-Tuning und natuerlich mit Slide. Damit hatte wahrscheinlich niemand gerechnet, doch ich habe mich schon waehrend des Vortrags und erst recht nach dem folgenden Applaus wohlgefuehlt, denn irgendwie bekommt man die Vibes doch ganz gut mit, derweil das Publikum ganz vorne an den Wellenbrechern vor der Buehne stand.

Mit diebischer Freude kuendigte ich dann OTTO an um gemeinsam den SCHWAMM-DRUEBER-BLUES in aehnlich puristischer Weise darzubieten, 2 x Akustik-Gitarre und die Bluesharp vom Meister, gefolgt von einem dann elektrifiziertem Rock`n Roll-Medley mit Band-Begleitung…

…und dem Oberbringer: AUF`M HEIMWEG WIRD`S HELL
(welcher Titel sich dahinter wohl verbirgt!?)

Nun kochte der Laden bereits, und nach 2 weiteren MEINERT-SONGS, zuletzt mein Live-Liebling „NUR EIN NARR“…

…mit einem furiosen ZACKY an den Drums ueberliess ich die Buehne fuer jeweils 15 bis 20 Minuten den folgenden Saiten-Zauberern, begleitet von der CROSSROADS BAND:

GUIDO BUNGENSTOCK – …ist verwachsen mit jedem Ton seiner Gitarre

MARCUS DEML – …spielt Gitarre wie die Brasilianer Fussball

KOSHO ( u.a. SOEHNE MANNHEIMS ) – …eigenwillig und charismatisch

Nun gab es einen Umbau für den zweiten Set, wohl genutzt fuer die Bekanntgabe der Gewinner des Awards. 5 Teilnehmer hatten wir ausgewaehlt und für diesen Abend eingeladen, in der Tat grosse Talente mit bereits phantastischem Feeling, Sound und Technik. Die Unterschiede sind marginal, wie auch bei einigen der hier nicht plazierten Teilnehmer. Nuancen gaben den Ausschlag, Gewinner sind alle 25, alleine schon wegen des Inputs bei den Workshops. Die Auserwählten freuen sich darüber hinaus über wirklich wertvolle Preise!

Die Sieger des Robert Johnson Guitar Award 2010 sind:

1. Platz: Benjamin Baumann
2. Platz: Philip Bölter
3. Platz: Alexander Schmitz
4. Platz: Jan Schwarte
5. Platz: Michael Boock
 

Der Abend erfuhr seine Fortsetzung mit ausgiebigeren Perfrormances der Gitarrenlegende ULI JON ROTH sowie hernach dem JIMI HENDRIX-Ebenbild RANDY HANSEN. Jeder auf seine Art eine Koryphaee, wirkt Uli fast weise, wie ein Philosoph über den Dingen stehend, mittels seiner komplexen und mit scheinbarer Leichtigkeit dahinfliegenden Melodiebögen doziert er beinahe den geneigten Zuhörer. Randy hingegen ist der klassische Showman, dabei quasi eine Reinkarnation von HENDRIX, ich sah ihn bereits in einer der ersten ROCKPALAST Sendungen. Er aehnelt ihm nicht nur optisch, entsprechend unterstuetzt durch Outfit und Rollenspiel, er spielt (in erster Linie) und singt auch wirklich verblueffend originalgetreu, entertaint dabei das Publikum mit seiner lockeren, humorvollen und von kleinen Kunststueckchen gewuerzten Performance. Hat mir viel Freude bereitet und weckt so vielleicht die Neugier juengerer Zuhoerer auf JIMI daselbst.

Kleiner Wehrmutstropfen am Rande: beide Helden spielten zu lange, somit mussten die jungen Talente warten ob ihrer Performances mit Uli bzw. Randy. Dabei waren sie die eigentlichen Hauptpersonen und der Anlass dieser Gitarren-Show. Nun denn, es war der erste ROBERT-JOHNSON-GUITAR-AWARD, sehr aufschlussreich, viele weitere werden hoffentlich folgen, jeweils angereichert mit den Erfahrungen der vorherigen Events.
Juergen plant auf jeden Fall schon den Nachfolger. Ihm gebuehrt mein groesster Dank, fuer seine Idee, der Leidenschaft, Umsetzung und die noetigen Mittel.

So habe ich viele junge, ambitionierte Gitarristen kennengelernt, talentiert und fleissig, von denen erstaunlich viele eine Profi-Karriere anstreben oder gar schon Berufsmusiker sind. Schon bei meiner geaeusserten Entscheidung, diesen Weg zu gehen, vor ca. 30 Jahren, wurde mir von vielen Seiten empfohlen, es nicht zu tun, ob der schwierigen Zeiten und der Unsicherheit dieses Genres. Heute sieht das alles noch so viel hoffnungsloser aus, im Zeitalter der Computer, virtuellen Gitarrensounds und Licks, die fast jeder sogenannte Produzent oder auch Hobbymusiker mit entsprechender Software fuer normale Ohren nicht erkennbar als vollwertiges Instrument einsetzt. Im Zuge des Niedergangs der ehemals bluehenden Musikindustrie und dem daraus resultierenden Ueberangebot an Live-Musikern, fast noch die einzige Moeglichkeit Einkommen zu erzielen. Aber wenn das Feuer richtig brennt, kannst Du es nicht loeschen. Du hast gar keine Wahl, es gibt keine andere Entscheidung. Somit wuensche ich ihnen alles Glueck dieser Welt, denn der Lohn ist so einzigartig grossartig, man kann es kaum beschreiben!

DEUTSCHER AKUSTIK-BLUES

Schon bietet sich die Gelegenheit, erfolgte Inspiration umzusetzen und einzubringen: Zwei Auftritte mit meinem guten alten Freund DIETER KROPP standen an.

In Detmold im CAFE unERWARTET sowie, bei sonnigem 1.Mai-Wetter, im Biergarten vom BACKHAUS in Lemgo führten wir eine bereits 1984 begonnene tiefe musikalische wie menschliche Freundschaft fort. Als Blues-Duo MEINERT & KROPP in der klassischen Besetzung Akustik-Gitare, Harp & Gesang umfasst das Repertoire seit ehedem Klassiker des Genres und eigene Titel. Umso mehr in der Gegenwart, da Dieter juengst sein neues Album „SCHOENEN GRUSS VOM BLUES“ veroeffentlicht hat, Nachfolger der erfolgreichen „HERZENSBRECHER“-CD. Humorvolle deutsche Texte im bluesmusikalischem Gewand, garniert mit authentischem Mundharmonikaspiel auf hoechstem Niveau. Dazu noch Songs aus unserem Neunzigerjahre-Album „INNOCENCE IS GONE“, ebenso mit teils deutschen Texten. Mal wieder so richtig freispielen, sliden, improvisieren, einfach herrlich. Als Krönung dieses Intermezzos hat der (Blues-)„Präsi“, wie er in heimischen Gefilden respektvoll genannt wird, seiner Liebsten das Ja-Wort gegeben, was wir natuerlich gebuehrend celebriert und, musikalisch begleitet, auf den Weg gebracht haben!

Die Photos in diesem Block stammen von:
Brigitte Kuehn / Petra van der Veen / Crossroads Hamburg e.V. und Mickey Meinert

SCHLUSSWORT:
Beim sogenannten „Sparpaket“ packt mich die Wut. Von oben nach unten wird durchgereicht, dahin, wo die ohnehin schwaechsten Staatsbuerger schon grenzwertig existieren, quasi wehrlos den Kuerzungen ausgeliefert. Einerseits ist es voellig verfehlte, von Dilettanten und Lobbyisten praktizierte Finanzpolitik, fuer die der Normalo schon laengst in den Bau gewandert waere. Andererseits die jahrelang praktizierten Spielchen von ruecksichtslos agierenden Gierhaelsen, die sich Broker, Banker oder Finanz-Jongleure nennen. Es ist nach wie vor im Gange, denn gleichzeitig liest man von mehr Millionaeren als vor der Krise, von noch reicheren Superreichen, einer immer groesser klaffenden Schere. Volksvertreter??????????????????????????????

Uebrigens: jedes neugeborene deutsche Wesen kommt mit virtuellen 21.000,- € Schulden zur Welt, Tendenz steigend!

Das Spiel der Menschen mit unausgereiften Kraeften in unbekanntem Terrain zwingt gerade einen Weltkonzern in die Knie und kippt ein Oekosystem von unvorstellbarem Ausmass auf Jahrzehnte in eine nicht absehbare, gewaltige Naturkatastrophe. Wenn dieses menschlich-technische Versagen Atomkraft waere…? Aber auch so schon furchtbar genug. So sind wir halt: Nach uns die (Oel-) Sintflut…